Patrick Makau triumphiert bei Kühlschrank-Temperaturen, Meselech Melkamu läuft Streckenrekord, Sören Kah und Lisa Hahner überzeugen
Die Frankfurter Weltrekordjagd ist eingefroren. Bei Kühlschrank-Temperaturen zwischen 2 und 4 Grad Celsius gewann Topfavorit Patrick Makau den 31. BMW Frankfurt Marathon, verpasste aber seine eigene Bestmarke deutlich. Der kenianische Weltrekordler (2:03:38) erreichte nach einem dramatischen Rennen, in dem er mehrmals aus der Spitzengruppe heraus gefallen war, das Ziel in der Festhalle nach 2:06:08 Stunden. Platz zwei belegte Deressa Chimsa (Äthiopien/2:06:52), Dritter wurde Gilbert Kirwa (Kenia/2:07:35). Ein grandioses Marathondebüt lief Meselech Melkamu. Die Äthiopierin kam nach 2:21:01 Stunden ins Ziel. Schneller waren bei einer Marathonpremiere bisher nur die Britin Paula Radcliffe (2:18:56 in London 2002) und die Kenianerin Lucy Kabuu (2:19:34 in Dubai 2012). Zweite wurde am Sonntag Georgina Rono (Kenia) mit 2:21:39, als Dritte folgte die Titelverteidigerin Mamitu Daska (Äthiopien) in 2:23:52.
Sehr gut schlugen sich die besten deutschen Läufer: Sören Kah (LG Lahn-Aar Esterau) gelang im dritten Marathon eine erneute Steigerung. Er blieb mit 2:13:57 zum ersten Mal unter 2:14 Stunden. Ein prima Debüt lief Lisa Hahner (Run2Sky.com), die als Achte nach 2:31:28 ins Ziel kam. Veronica Pohl (Bayer Leverkusen) erreichte bei ihrem ersten Marathonlauf mit 2:34:59 und Rang elf ebenfalls ein gutes Ergebnis. Die Rekordzahl von 16.034 Läufern hatte für den BMW Frankfurt Marathon gemeldet.
Im Männerrennen geriet bei Temperaturen von knapp über dem Gefrierpunkt - die Veranstalter hatten die Strecke in der Nacht punktuell salzen lassen, um Glättebildung zu verhindern – die Weltrekordzeit schnell außer Reichweite. Bereits nach 10 km war Patrick Makau bei einer Zwischenzeit von 29:56 Minuten rund 40 Sekunden langsamer als bei seinem Rekordrennen in Berlin vor einem Jahr. In der Folge fasste sich der Superstar immer wieder an die Oberschenkel seiner Beine. „Ich hatte leichte muskuläre Probleme. Es war so kalt, dass meine Muskeln nicht richtig reagierten“, erklärte Patrick Makau. „Ich bin trotzdem ohne Handschuhe gelaufen, da ich das anders nicht gewohnt bin.“ Mehrmals fiel Patrick Makau aus der Spitzengruppe, die die Halbmarathonmarke nach 62:52 Minuten erreicht hatte, doch er kam immer wieder zurück. „Ich musste heute Geduld haben, denn ich dachte mir, dass es später im Rennen besser werden könnte. Ich habe immer nur auf meinen Körper geachtet und darauf gewartet, dass die Muskeln besser reagieren.“
Bei Kilometer 30 lagen noch sechs Läufer an der Spitze: Deressa Chimsa und Bazu Worku (Äthiopien) sowie die Kenianer Victor Kipchirchir, Peter Some, Gilbert Kirwa und Patrick Makau. Als sich dann nach 33 km der Äthiopier Deressa Chimsa absetzte und schnell einen Vorsprung von rund 50 Metern herauslief, schien die Entscheidung zugunsten des Halbmarathon-Weltmeisters schon gefallen zu sein. Doch einmal mehr kam Patrick Makau zurück. Bei 35 km hatte er den Abstand auf vier Sekunden verringert, drei Kilometer vor dem Ziel zog er schließlich vorbei und übernahm erstmals in dem Rennen die Führung. Nun war es Patrick Makau, der einen dieses Mal entscheidenden Vorsprung herauslief.
„Das war mein härtester Marathon. Ich musste mich durchkämpfen, und es hat viel Kraft gekostet, immer wieder an die Spitze heranzulaufen“, sagte Patrick Makau, der froh war, dass er einen weiteren bedeutenden deutschen Straßenlauf gewonnen hatte und damit eine starke Erfolgsserie fortsetzen konnte: Seit 2006 startete der Kenianer immer wieder bei großen deutschen Rennen – bisher hat er dabei noch nie verloren. Am Ende gewann Patrick Makau in 2:06:08 noch klar vor Deressa Chimsa (2:06:52) und Gilbert Kirwa (2:07:35). Vier weitere Läufer blieben in Frankfurt unter 2:10 Stunden: Peter Some (2:08:29), Bazu Worku (2:08:35), Albert Matebor (Kenia/2:08:53) und Victor Kipchirchir (2:09:13) belegten die Ränge vier bis sieben.
Eine starke Leistung zeigte einmal mehr Sören Kah. Der 30-Jährige war vor einem Jahr in Frankfurt sein Debüt gelaufen mit 2:17:58 und lief nun schon gut vier Minuten schneller ins Ziel in der Festhalle. „Es war ein perfekter Lauf für mich, ich habe mein Ziel erreicht. Es war fast eine Punktlandung“, sagte Sören Kah, nachdem er als 16. in 2:13:57 Stunden ins Ziel gelaufen war. „Es war natürlich ein bisschen kalt. Aber ich fand das nicht so schlimm, die Bedingungen waren gut.“
Im Rennen der Frauen hielten sich die favorisierten Äthiopierinnen genau an den avisierten Tempo-Zeitplan. Nach 70:25 Minuten erreichten Meselech Melkamu, Bezunesh Bekele, Mamitu Daska sowie die beiden Kenianerinnen Georgina Rono und Agnes Barsosio die Halbmarathonmarke. Nachdem Bezunesh Bekele und Mamitu Daska bereits zurückgefallen waren, fiel die Entscheidung etwa bei Kilometer 37. Hier setzte sich die 10.000-m-Afrikarekordlerin Meselech Melkamu ab. Während sie in 2:21:01 Stunden gewann, lief die zweitplatzierte Georgina Rono mit 2:21:39 eine Bestzeit und blieb ebenfalls noch unter dem alten Kursrekord (2:21:59). Mamitu Daska (2:23:52) und Bezunesh Bekele (2:23:58) sorgten dafür, dass erstmals in Frankfurt vier Läuferinnen unter 2:24 Stunden rannten. Besser waren in dieser Hinsicht in diesem Jahr nur die Marathonläufe in Dubai, London und Chicago. Auch Agnes Barsosio lief als Fünfte mit 2:24:27 noch eine gute Zeit. „Der Sieg in Frankfurt ist der größte Erfolg meiner Karriere. Ich wäre gerne noch schneller gelaufen, aber es war zu kalt“, erklärte Meselech Melkamu.
Vier Wochen nach dem achten Platz ihrer Zwillingsschwester Anna beim Berlin-Marathon belegte Lisa Hahner genau diesen Rang auch beim BMW Frankfurt Marathon. Nach einer Halbmarathon-Durchgangszeit von 1:16:01 schaffte es die 22-Jährige sogar, die zweite Hälfte noch etwas schneller zu laufen (1:15:28). „Ich bin begeistert vom Marathon“, sagte Lisa Hahner, nachdem sie in 2:31:28 ins Ziel gelaufen war. „Mir haben die kalten Temperaturen nichts ausgemacht. Es gab auch keinen wirklich harten Punkt im Rennen für mich.“
STIMMEN ZUM BMW FRANKFURT MARATHON:
Patrick Makau, Sieger 2:06:08 Stunden
„Das war mein härtester Marathon bisher. Mein Körper hat einfach nicht richtig reagiert. Die Muskeln waren wegen der Kälte stark kontrahiert. Ich habe daher meinem Körper gesagt, dass er nicht beschleunigen soll, und bin ein moderates Tempo gelaufen. Ich musste geduldig und fokussiert bleiben, um meinen Kollegen zu folgen. Ans Aufgeben habe ich niemals gedacht. Ab Kilometer 35 war ich mir sicher, dass ich gewinnen kann.“
Meselech Melkamu, Siegerin und neue Streckenrekordhalterin, 2:21:09 Stunden
„Meine Vorbereitung in einer starken Gruppe ist sehr gut gelaufen. Ich habe mich von Anfang an sehr gut gefühlt. An den Sieg habe ich erst ab Kilometer 35 gedacht. Dieser Sieg ist mein größter Erfolg bisher. Es war mein erster Marathon, und ich werde sicher weitere Marathons laufen. Für mich war es zu kalt heute, ich wollte noch etwas schneller sein. Ich glaube, dass ich nach guter Vorbereitung unter 2:18 Stunden laufen kann, das ist mein Ziel für den nächsten Marathon.“
Angesprochen auf ihre Gold gefärbten Haare: „Wenn ich nach Hause komme, wird sich die Farbe wieder ändern, aber für einen Wettkampf werden sie wieder golden.“
Lisa Hahner, schnellste Deutsche, 2:31:28 Stunden
„Es war ein Traum. Es lief perfekt, eine Wahnsinnsarbeit der Tempomacher. Ich hatte keinen Durchhänger, bei Kilometer zwölf haben ich gedacht: „Cool, noch 30 Kilometer.“ Es war genau mein Tempo, ich habe wirklich Glück gehabt. Ich hatte die Festhalle und den Einlauf ab Kilometer 37 dauernd im Kopf, es ist ein Riesengefühl. Ich konnte hinten raus noch einmal aufdrehen. Ich wusste, wir sind von der Zeit her drin, aber ich habe gar nicht auf die Zwischenzeiten geachtet, erst so ab Kilometer 37 oder 38. Das Wetter war okay für mich, es kann von den Bedingungen ruhig etwas kühler sein, das macht mir nichts aus.
Es ist das angestrebte Ergebnis, ich konnte den Marathon richtig genießen. Man kann sich kein schöneres Debüt vorstellen, wenn man am Schluss noch Kraft hat zu beschleunigen. Einen harten Part gab es eigentlich gar nicht. Mein nächstes Ziel über die Distanz ist die WM nächstes Jahr in Moskau zusammen mit Anna. Wir haben jetzt dafür eine gute Grundlage gelegt.“
Sören Kah, schnellster Deutscher, 2:13:57
Es ist für mich ein perfekter Lauf gewesen. Ich habe eine Punktlandung hingelegt, denn unter 2:14 war mein Ziel. Die Pacemaker haben sehr gut gearbeitet. Ich bin rundum zufrieden. Ich glaube nicht, dass das Wetter eine große Rolle gespielt hat. Es hat ja die Sonne gescheint. Die Stimmung und die Zuschauer haben uns sehr unterstützt. Hinten raus ist es ziemlich schwer geworden. Die erste Hälfte habe ich ganz entspannt mitrollen können. Ab Kilometer 30 musste ich einige Zeit lang selbst für die Pace sorgen. Den Zieleinlauf in die Festhalle konnte ich nicht richtig genießen, weil die Uhr gegen mich getickt ist.“
Wolfgang Heinig, Trainer Lisa Hahner
„Es könnte noch ein oder zwei Minuten schneller sein. Der Wind hat schon Wirkung gezeigt, aber so ein Debut ist sehr stark. Es war das ganze Rennen über läuferisch sehr gut, sie hatte keinen Durchhänger.“
Jo Schindler, Race Director BMW Frankfurt Marathon
„Es war eine Veranstaltung auf Weltklasseniveau, auch wenn das Ergebnis rein nach Zeiten betrachtet nicht wie erhofft war. Wir haben heute gesehen, was Sport heißt. Es war von der Früh weg klar, dass die Athleten den Weltrekordplan nicht umsetzen konnten. Wir haben einen „Weltrekord im Kühlschrank“ erlebt. Patrick Makau hatte Probleme mit den Muskeln und beeindruckend gekämpft, Hut ab! Den Weltrekord haben wir eingefroren und wir wollen ihn nächstes Jahr wieder auftauen. Es ist klar, dass wir weiter internationalen Spitzensport bieten wollen und uns an Topzeiten orientieren wollen. Der Streckenrekord und das drittschnellste Marathondebüt aller Zeiten von Meselech Melkamu ist eine außerordentliche Leistung und zeigt auch, was bei guten Bedingungen möglich gewesen wäre.
Christoph Kopp, Sportlicher Leiter BMW Frankfurt Marathon
Wir haben spannende Rennen erlebt. Die Zuschauer waren sicher zufrieden, ich auch. Elf persönliche Bestleistungen in den Top-15 bei den Frauen und sieben bei den Männern zeigen die hohe Qualität des Rennens. Bei Melkamu konnte man die ganze Zeit über sehen, dass es bei ihr passt. Die Männer sind sehr vorsichtig angelaufen. Insgesamt können wir zufrieden sein. Die Kältebedingungen verträgt eben jeder individuell anders. Bei Patrick Makau hat man gesehen, dass er einen großen Willen hat, und der Wille versetzt Berge. Er ist ein Wettkampftyp.
Text: race-news-service.com
Fotos: photorun.net