„Frankfurt kannten die meisten nur als Umsteige-Flughafen“
Jo Schindler über die Entwicklung des BMW Frankfurt-Marathons, eine mögliche Weltrekordjagd und die mittelfristigen Ziele
Am Sonntag wird der BMW Frankfurt-Marathon mit dem stärksten Elitefeld seiner Geschichte gestartet. Zudem gibt es mit voraussichtlich rund 16.000 Anmeldungen einen Teilnehmerrekord. Race-Direktor Jo Schindler gab das folgende Interview:
Wie war das, als Sie vor ein paar Jahren nach New York gefahren sind, um dort für ihr Rennen zu werben und Kontakte zu knüpfen?
Jo Schindler: Frankfurt kannten die meisten nur als einen Umsteige-Flughafen auf dem Weg nach Europa. Dass der Marathon und die Stadt lohnenswerte Ziele sind, wussten sie nicht. Der Frankfurt-Marathon stand damals nicht im internationalen Fokus. Londons Race-Direktor David Bedford oder seine New Yorker Kollegin Mary Wittenberg kannten mich nicht. Irgendwann hat mich dann mal jemand Mary Wittenberg vorgestellt – aber sie hatte wahrscheinlich gleich wieder vergessen, wer ich war.
Jetzt hat sich das geändert?
Jo Schindler: Ja, im vergangenen Jahr hat sich Mary Wittenberg eine Weile mit mir unterhalten, sie interessierte sich im Detail dafür, wie wir die Rennen im Spitzensport organisieren. Und sie gratulierte mir zu dem tollen Rennen, das sie online verfolgt hatte. Durch den Beinahe-Weltrekord von Wilson Kipsang 2011hat sich der BMW Frankfurt-Marathon international einen Namen gemacht.
Nehmen dadurch auch die internationalen Teilnehmer zu?
Jo Schindler: Ja, wir haben in diesem Jahr deutlich mehr internationale Teilnehmer. 22 Prozent unserer Läufer kommen aus dem Ausland. Im vergangenen Jahr lag diese Quote noch bei 15 Prozent. Als ich vor zehn Jahren in Frankfurt anfing, spielten die ausländischen Läufer noch keine große Rolle, obwohl schon immer eine gewisse Zahl von Skandinaviern am Start war. Aktuell sind die Briten mit über 300 Läufern die stärkste ausländische Nation. Sie haben die Franzosen erstmals überholt. Es ist der Bereich der ausländischen Läufer, in dem wir in der Zukunft noch deutlich wachsen können.
Mit welchem Renn-Ausgang wären Sie zufrieden am Sonntag – vor allem mit Blick auf Patrick Makau …
Jo Schindler: Es wäre Blödsinn, wenn wir jetzt abstreiten würden, dass der Weltrekord in diesem Jahr ein Thema ist. Ansonsten hätten wir den Weltrekordler ja nicht verpflichtet. Gewisse Erwartungen sind jetzt einfach da. Aber es muss natürlich viel zusammenpassen – die Form, die Tempomacher und natürlich das Wetter. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, wird die Männer-Spitzengruppe Richtung Weltrekord laufen. Dann werden wir sehen, was am Ende herauskommt. Sind die Bedingungen gegeben, sollten wir in etwa anknüpfen an die Zeit des vergangenen Jahres, als Wilson Kipsang 2:03:42 lief. Wenn es keinen Weltrekord gibt, sind wir nicht enttäuscht, solange die Athleten den Umständen entsprechend das Maximum herausgeholt und wir ein spannendes Rennen gesehen haben.
Wie sind Ihre mittelfristigen Ziele, sowohl breiten- als auch spitzensportlich?
Jo Schindler: Wir wollen natürlich breitensportlich noch größer werden. Aber wir kommen auch an eine Kapazitätsgrenze. In diesem Jahr praktizieren wir zum ersten Mal Wellenstarts. Danach werden wir das analysieren und sehen, was noch möglich ist an Teilnehmerzuwachs. Was die Spitze angeht, so wäre es fantastisch, wenn wir uns dort etablieren könnten wo wir jetzt sind. Wir waren 2011 der zweitschnellste Marathon weltweit. Da geht nicht mehr viel. Wenn das gelingt und auch finanziell weiter möglich ist, dann wäre ich sehr zufrieden. Wir haben ja schon jetzt weit mehr erreicht als wir uns vor ein paar Jahren erträumt hatten.
Was den Spitzensport angeht, wäre der BMW Frankfurt-Marathon inzwischen ein Kandidat für die World Marathon Majors (WMM)-Serie, falls diese in der Zukunft erweitert werden sollte. Wäre das ein Thema für Sie?
Jo Schindler: Die WMM-Serie fordert von den einzelnen Veranstaltern natürlich auch ein großes finanzielles Engagement. Ich weiß nicht, ob wir das stemmen könnten, so dass es für uns zurzeit keinen Sinn machen würde. Ein solcher Schritt käme noch zu früh – vielleicht sieht das in fünf Jahren anders aus. Was die Größe des Feldes betrifft, würde uns die Serie sicherlich weiterbringen. Das würde noch einmal einen Teilnehmerschub bringen. Aber 40.000 Läufer könnten wir hier sowieso nicht über die Strecke schicken. Auch bezüglich der Spitzenläufer wäre es leichter mit der WMM, denn Athleten, die in der WMM-Wertung vorne dabei sind, werden jetzt natürlich nicht in Frankfurt laufen. Andererseits ist es auch ganz gut in manchen Dingen unabhängig zu sein von einer Serie. Heute können wir allein unser Ding machen, als Teil einer Serie ist man immer auch an Vorgaben und Absprachen gebunden. Da gilt es Vor- und Nachteile sorgfältig abzuwägen.
Text: race-news-service.com
Foto: photorun.net