Jan Fitschen vor seinem Start in Frankfurt: „Marathon ist einfach irre“
Jan Fitschen (34) hatte bei seinem Marathon-Debüt Pech, denn er erwischte in Düsseldorf im Mai ein Hitze-Rennen. Schon frühzeitig lief so gut wie nichts mehr für ihn. Trotzdem quälte sich der Läufer des TV Wattenscheid ins Ziel, das er schließlich in 2:20:15 Stunden erreichte. Jetzt nimmt der 10.000-m-Europameister von 2006 beim BMW Frankfurt-Marathon einen zweiten Anlauf. Vor seinem Start gab Jan Fitschen das folgende Interview, das auch in der Fachzeitschrift Leichtathletik erschien:
Fünf Wochen vor Ihrem Start waren Sie beim Berlin-Marathon als Co-Kommentator für Eurosport tätig. War dieses Weltrekord-Rennen für Sie eine Motivation oder ist es eher schwierig, wenn Sie sehen, wie weit die Weltklasse entfernt ist?
Jan Fitschen: Der Berlin-Marathon war definitiv eine Motivation für mich im Hinblick auf Frankfurt. Es war ein tolles Gefühl, dabei gewesen zu sein und diese Topleistungen zu sehen. Die Jungs rennen natürlich in einer anderen Klasse als ich – das war schon immer so und es wird sich auch nicht ändern. Für mich kann die Weltspitze kein Maßstab sein. Mein Ziel ist es, für mich gute Leistungen zu bringen.
Mit welchen Zielen gehen Sie am Sonntag an den Start – ist die Olympianorm von 2:12:00 Stunden das Ziel?
Jan Fitschen: Die Olympianorm ist leider in Frankfurt noch kein Thema für mich. Nach dem Marathon in Düsseldorf geht es jetzt erst einmal um ein Ergebnis im Bereich von 2:15 Stunden. Das Risiko wäre zu groß, wenn ich versuchen würde, die Norm zu erreichen, denn ich konnte für ein solches Ergebnis nicht entsprechend trainieren. Das Problem war, dass in Düsseldorf bedingt durch die Hitze die Quälerei schon bei Kilometer 25 begann und nicht nach 35 km. Ich habe danach wesentlich länger gebraucht als gedacht, um mich zu erholen. Es dauerte rund drei Monate und dadurch fehlte mir diese Zeit in der Vorbereitung für Frankfurt.
Dann werden Sie am Sonntag auch nicht mit André Pollmächer gemeinsam die erste Hälfte laufen.
Jan Fitschen: Nein, André ist zurzeit einfach stärker als ich. Er hat sich seit rund einem Jahr auf dieses Rennen in Frankfurt vorbereitet. Ich hoffe aber, dass ich nächstes Jahr zu ihm aufschließen kann. Ich denke, ich habe genauso viel Talent wie er, wobei er vielleicht noch etwas härter trainiert. Außerdem ist André schon ein paar Mal Marathon gelaufen und hat dadurch etwas Vorsprung.
Trauen Sie André die Olympianorm in Frankfurt zu?
Jan Fitschen: Ja, gemessen an dem Training, das er gemacht hat, müsste er die Zeit erreichen können.
Werden Sie dann im Frühjahr 2012 noch einen Versuch starten, um die Olympianorm zu erreichen?
Jan Fitschen: Ja, ich werde sicherlich im Frühjahr wieder einen Marathon laufen und es probieren. Es wird natürlich eng, denn es bleibt nur noch ein Versuch. Wenn das Wetter dann nicht mitspielt, ist die Chance dahin. Ich kann jetzt auch noch nicht sagen wo und wann ich im Frühjahr starten werde. Das wird sich in der Zeit nach dem Frankfurt-Marathon entscheiden und wenn ich sehe, wie die Erholungsphase dieses Mal verläuft.
Obwohl Düsseldorf in der Hitze zur Qual wurde, sagten Sie gleich danach: „Marathon ist mein Ding!“ Gilt das weiterhin?
Jan Fitschen: Auf jeden Fall. Ich sehe meine Zukunft auf der Marathonstrecke. Natürlich war Düsseldorf eine Quälerei, aber es war trotzdem zugleich auch eine tolle Atmosphäre. Das ganze Drumherum bei einem Marathon ist einfach irre. Auch das Training macht mir Spaß – wenn das nicht so wäre, könnte ich gar nicht diese hohen Umfänge laufen. Marathon ist etwas Besonderes, das merke ich auch wenn ich mit anderen Menschen spreche und erzähle, dass ich Marathon laufe. Das wirkt beeindruckend. Der Vergleich ist etwas weit hergeholt, aber selbst bei Haile Gebrselassie liefen die ersten Marathonrennen nicht so wie er sich das vorgestellt hatte. Und ich bin ja erst ganz am Anfang meiner Marathonkarriere.
War es vom Gefühl her in der Vorbereitung auf Frankfurt gut, dass Sie in Düsseldorf trotz der Hitze-Probleme nicht ausgestiegen sind?
Jan Fitschen: Für die Beine wäre es besser gewesen, wenn ich ausgestiegen wäre. Aber für den Kopf war es richtig, dass ich durchgelaufen bin. Beim ersten Marathon aufzugeben, wäre nicht gut gewesen. Dieser vermeintlich einfache Weg war noch nie mein Ding. Ich habe mich auch früher bei Bahnrennen immer durchgekämpft, wenn es nicht lief.
Seit dem Düsseldorf-Marathon haben Sie nur einen ernsthaften Wettkampf bestritten.
Jan Fitschen: Ja – und der war nicht gut. Nach einem Höhentrainingslager in St. Moritz bin ich bei den Deutschen Meisterschaften über 10 km gestartet. Ich hatte eine Erkältung, daher lief es schlecht und wir haben danach entschieden, dass ich den geplanten Halbmarathon nicht laufe. Erkältungen sind meine große Schwäche. Die Symptome klingen meist nach einigen Tagen wieder ab, das habe ich ganz gut im Griff. Aber es dauert immer eine lange Zeit, bis ich im Training wieder voll belastbar bin.
Dafür haben Sie aber Ihr Studium der Wirtschaftswissenschaften in der Zwischenzeit abgeschlossen, nachdem Sie zuvor bereits erfolgreich Physik studiert hatten – haben Sie dadurch in der Zukunft mehr Zeit für das Training?
Jan Fitschen: Nein, es wird sich vom Zeitaufwand nichts ändern, denn das Studium an der Fern-Uni Hagen war keine Belastung. Das lief nebenher. Zu studieren hat mir immer ein gutes Gefühl gegeben, denn ich kann nicht nur laufen.
Vor ihrem Debüt in Düsseldorf trainierten sie bereits über 200 Kilometer pro Woche. Wie ist Ihre Form jetzt verglichen zum Frühjahr?
Jan Fitschen: Ich habe ganz ähnlich trainiert wie vor Düsseldorf und war dabei zweimal für jeweils drei Wochen im Höhentraining in St. Moritz. Ich bin fest davon überzeugt, dass im Langstreckenlauf das Höhentraining das A und O ist. Das hat insgesamt gut geklappt, und ich konnte mein Dauerlaufniveau etwas steigern. Ich hoffe, dass sich das gesamte Training dieses Jahres auszahlen wird und meine Form etwas besser ist als im Frühjahr. Jetzt kann ich nur noch hoffen, dass das Wetter dieses Mal mitspielt.
Haben Sie eine Marathon-Traumzeit, die Sie eines Tages einmal erreichen möchten?
Jan Fitschen: Ja, die gibt es. Aber die möchte ich noch für mich behalten. Es soll jedenfalls nicht bei der Olympianorm Schluss sein.
Was muss passieren, damit die deutschen Marathonläufer zukünftig zumindest auf europäischer Ebene wieder den Anschluss an die Spitze schaffen?
Jan Fitschen: Es gibt einfach viel zu wenige deutsche Topläufer, um leistungsstarke Trainingsgruppen zu bilden. Das fängt schon bei den Mittelstrecken an und je länger die Distanzen werden, desto weniger Athleten sind da. Uns fehlt die Basis. Man müsste über Schulwettkämpfe – so wie in den USA, wo es zum Beispiel High School-Crosslauf-Teams gibt – Jugendliche an die Langstrecken heranführen. Ich habe in den letzten Monaten sowohl mit Falk Cierpinski und Martin Beckmann als auch mit André Pollmächer teilweise zusammen trainiert. Wir alle arbeiten professionell, mit viel Einsatz und investieren dabei teilweise sogar aus eigener Tasche in Höhentrainingslager. Mich hat mein letztes Trainingslager in St. Moritz zwischen 1.500 und 2.000 Euro gekostet – dafür habe ich keinerlei Zuschüsse vom Verband erhalten, unter anderem, da es schon das fünfte Trainingslager in diesem Jahr war. Als ich im Winter in Kenia war, trainierte dort eine Gruppe von 80 britischen Läufern. Finanziert wurde dies vom britischen Verband und vom London-Marathon.