7.10.: Tsegaye Kebede läuft Streckenrekord, Atsede Baysa gewinnt Sprintfinish beim Chicago-Marathon
Der Äthiopier Tsegaye Kebede hat den Chicago-Marathon gewonnen. Der 25-Jährige krönte die 35. Auflage des Rennens, für das 45.000 Läufer gemeldet hatten, mit einem Streckenrekord und einer persönlichen Bestzeit von 2:04:38 – damit war er nur genau eine Minute entfernt vom Berliner Weltrekord des Kenianers Patrick Makau. Es war das erste Mal, dass in Chicago eine Zeit unter 2:05 Stunden gelaufen wurde. Im vergangenen Jahr hatte der Kenianer Moses Mosop den Kursrekord dort auf 2:05:37 verbessert. Tsegaye Kebede lief in Chicago die zehntbeste je erzielte Zeit über die klassische Distanz, wenn man die Resultate des nicht Rekord-konformen Kurses von Boston nicht mitrechnet.
Beim kleinen Jubiläum des Chicago-Marathons sorgte Tsegaye Kebede für ein Novum, denn noch nie hatte ein Athlet aus Äthiopien das Männerrennen dieses World Marathon Majors (WMM)-Laufes gewonnen. Neunmal in Folge war der Sieger zuletzt aus Kenia gekommen. Nun gab es sogar einen äthiopischen Dreifach-Triumph, bei dem Feyisa Lelisa (2:04:52) und der Debütant Tilahun Regassa (2:05:26) die Ränge zwei und drei hinter Tsegaye Kebede belegten. Wie schon in Berlin vor einer Woche schlug sich auch in Chicago ein zweiter Debütant prächtig: Sammy Kitwara (Kenia) lief als Vierter 2:05:54 Stunden. Auch die nächsten beiden erzielten noch hochkarätige Zeiten: Wesley Korir wurde Fünfter mit 2:06:13, sein kenianischer Landsmann Bernard Kipyego folgte mit 2:06:40.
Das Spitzenquartett produzierte die in der Breite der Spitze besten Ergebnisse, die der Chicago-Marathon bisher gesehen hat. Nie zuvor war bei dem Rennen mehr als ein Läufer unter 2:06 Stunden gerannt. Elf Athleten blieben unter 2:10 Stunden. Auch für die US-Amerikaner gab es einen Erfolg: Dathan Ritzenhein steigerte sich als bester nicht-afrikanischer Läufer um gut zwei Minuten und wurde Neunter mit 2:07:47. Er ist nun der drittschnellste Amerikaner aller Zeiten hinter Ryan Hall und Khalid Khannouchi.
Atsede Baysa gewann das Frauenrennen und die damit verbundene Siegprämie in Höhe von 120.000 US-Dollar. Die 25-jährige Äthiopierin setzte sich in einem Sprintfinish in 2:22:03 Stunden mit einer Sekunde Vorsprung vor der Kenianerin Rita Jeptoo durch. Rang drei belegte Lucy Kabuu (Kenia) mit 2:22:41. Liliya Shobukhovas einmalige Siegesserie – die Russin hatte den Chicago-Marathon zuletzt dreimal in Folge gewonnen – endete am Sonntag. Sie verpasste als Vierte den vierten Triumph in Folge, lief aber trotzdem ein starkes Rennen mit 2:22:59 Stunden. Fünfte wurde Caroline Rotich, die mit 2:23:22 ebenfalls noch eine erstklassige Zeit erreichte. Insgesamt blieben acht Läuferinnen unter 2:30 Stunden.
Das Rennen der Männer
In Chicago herrschten insgesamt gute, trockene Wetterbedingungen. Bei anfangs kühlen Temperaturen von 5 Grad Celsius und phasenweise leichtem Wind erreichte eine große Spitzengruppe mit 15 Läufern die Halbmarathonmarke nach 62:54 Minuten. Nachdem die Tempomacher dann aus dem Rennen gegangen waren, war es Tsegaye Kebede, der sich an die Spitze setzte und für Tempo sorgte. Bei Kilometer 30 (1:29:03 Stunden) waren noch neun Läufer hinter dem Äthiopier, der das Tempo unverändert hoch hielt. Fünf Kilometer später konnten nur noch drei Konkurrenten folgen: Hinter Tsegaye Kebede liefen Tilahun Regassa, Sammy Kitwara und Feyisa Lilesa. Schließlich entwickelte sich ein Zweikampf zwischen Kebede und Lilesa. Die beiden passierten die 40-km-Marke nach 1:58:02 Stunden und hatten bereits einen Vorsprung von 24 Sekunden.
Es war zwei Jahre her, als Tsegaye Kebede diesen Punkt gemeinsam mit dem zwischenzeitlich verstorbenen Olympiasieger Sammy Wanjiru in Führung liegend passiert hatte. Am Ende gewann der Kenianer. Dieses Mal wollte sich Tsegaye Kebede den Sieg nicht ein zweites Mal kurz vor dem Ziel nehmen lassen. Auf der letzten Meile beschleunigte er dann deutlich und ließ Feyisa Lilesa klar hinter sich. In 2:04:38 war er schließlich noch 14 Sekunden vor seinem Landsmann im Ziel. Damit ist er die zweite Hälfte des Rennens in 61:44 Minuten gelaufen – ein Tempo, das gut genug wäre, um den Weltrekord zu brechen.
„Vor zwei Jahren konnte ich mit Sammy Wanjiru nicht mithalten am Ende – es war mein Ziel in diesem Jahr (dass mir das nicht wieder passiert, d.Red.)“, erklärte Tsegaye Kebede und fügte hinzu: „2:04 Stunden zu laufen, das war mein Traum!“ Die Bestzeit des 25-Jährigen hatte vor Chicago bei 2:05:18 Stunden gestanden. Diese war der Olympia-Dritte von 2008 bei seinem Sieg in Fukuoka 2009 gelaufen. 2010 gewann Tsegaye Kebede dann den London-Marathon und war nur eine Sekunde langsamer (2:05:19) als zuvor in Japan. In diesem Jahr belegte er einen beachtlichen dritten Platz beim London-Marathon (2:06:52), jedoch reichte diese Leistung nicht für eine Olympia-Nominierung.
Das Rennen der Frauen
Liliya Shobukhova hatte mit ihren drei Siegen in Serie ein Stück Chicagoer Marathongeschichte geschrieben. An der Halbmarathonmarke, die die neunköpfige Spitzengruppe nach 1:11:15 Stunden passiert hatte, lief sie ganz vorne und war noch im Rennen um einen möglichen vierten Triumph. Doch bei Kilometer 30 platzte der Traum der Russin, deren letztes erfolgreiches Rennen der Chicago-Marathon 2011 gewesen war. Seitdem war sie nur noch einmal an den Start gegangen: Beim olympischen Marathon in London stieg die zweimalige World Marathon Majors-Siegerin (Serie 2009-2010 und 2010-2011) aufgrund von Magenproblemen aus.
Nun verlor Liliya Shobukhova in Chicago an Boden und lag nach 30 km auf Rang sechs, fünf Sekunden hinter der vierköpfigen Spitzengruppe. Diese wurde angeführt von der Kenianerin Lucy Kabuu, die im Januar in Dubai mit 2:19:34 Stunden das zweitschnellste Marathon-Debüt aller Zeiten gelaufen war, und der Äthiopierin Fatuma Sado. Außerdem liefen Caroline Rotich und Rita Jeptoo in dieser Gruppe.
Mit einem „Comeback“ lief dann die spätere Siegerin zurück in die Spitzengruppe. Atsede Baysa hatte zwischenzeitlich den Kontakt zur Spitze verloren. An der 30-km-Marke lief sie neben Liliya Shobukhova, und ihr Rückstand betrug noch fünf Sekunden. Doch im Gegensatz zur Russin holte die Äthiopierin auf und schaffte den Anschluss. Während Fatuma Sado zurückfiel, war Atsede Baysa nach 35 km vorne dabei. Caroline Rotich war die nächste, die den Kontakt verlor, doch an der 40-km-Marke (2:14:45) waren immer noch drei Läuferinnen zusammen: Jeptoo, Baysa und Kabuu.
Während Lucy Kabuu gut einen Kilometer vor dem Ziel den Anschluss verlor, kämpften Rita Jeptoo und Atsede Baysa bis zum letzten Meter um den Sieg bei dem prestigeträchtigen Rennen. Im engsten Frauen-Finish in der Geschichte des Chicago-Marathons setzte sich die 25-jährige Äthiopierin schließlich in 2:22:03 mit einer Sekunde Vorsprung durch. „Hier zu gewinnen, das ist ein Traum, den ich mit Worten gar nicht beschreiben kann“, erklärte Atsede Baysa, die zunächst zeitgleich mit Rita Jeptoo gewertet wurde. Beide Läuferinnen hatten ein Ergebnis von 2:22:04. Dass später die offizielle Zeit der Siegerin auf 2:22:03 korrigiert wurde, hat für Atsede Baysa eine besondere Bedeutung: Denn damit hat sie ihre Bestzeit um eine Sekunde unterboten. Beim zuvor größten Erfolg ihrer Karriere war sie als Siegerin des Paris-Marathons vor zwei Jahren 2:22:04 gelaufen. In diesem Jahr hatte sie Rang acht in Dubai und Platz neun beim London-Marathon belegt. Chicago war nun das Pflaster ihres größten Triumphes.
Text: race-news-service.com
Fotos: photorun.net